Eichenprozessionsspinner – Baumschädling mit Nebenwirkung
Ab Anfang Mai sorgen die Larven des bei uns heimischen Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea) wieder regelmäßig für Schlagzeilen. Vor allem aufgrund der potenziellen Gesundheitsgefahr für Mensch.

Den Namen haben Eichenprozessionsspinner wegen der Angewohnheit ihrer Raupen, sich hintereinander in langen Reihen fortzubewegen. Der Marsch der Schmetterlingslarven ist jedoch weder feierlich, noch dient er einem religiösen Zweck. Die grundsätzlich in Gruppen lebenden Tiere machen einfach alles gemeinsam und sind daher auch zusammen auf der Suche nach Nahrung, die vor allem aus den Blättern sämtlicher Eichen-Arten besteht. Es können ein- oder mehrsträngige Raupenprozessionen an einem befallenen Baum, aber auch auf dem Boden unterwegs sein. Vorrangig in der Dunkelheit, denn sowohl der Falter als auch dessen Raupen sind größtenteils nachtaktiv.



Entwicklung
Den Tag verbringen die geselligen Insekten meist in Nestern aus Gespinst, in denen sie sich auch häuten und ab Juni verpuppen. Aus den Kokons schlüpfen zwischen Juli und September dann die fertigen, relativ unscheinbaren, aber auf Baumrinde gut getarnten Nachtfalter, die sich verpaaren und Eier legen, bevor sie nach wenigen Tagen sterben. Die sich in den Eiern entwickelnden sogenannten Eiraupen verbringen den Winter in der schützenden Hülle und schlüpfen erst im nächsten Mai.
Gefährdung für Eichen
Der ein- oder zweimalige Befall ist für die Eichen in der Regel kein Problem, da sie nach der Verpuppung der Raupen erneut austreiben und sich regenerieren können. Wenn die Bäume jedoch über mehrere Jahre hinweg immer wieder komplett kahlgefressen werden und zusätzlich durch Krankheiten wie Mehltau, andere Schädlinge oder durch den Klimawandel verursachten Trockenstress beeinträchtigt werden, können die Bäume auch absterben.
Gefahr für Menschen
Die Raupen entwickeln zum Schutz vor Fressfeinden ab der dritten Häutung auf ihrem Rücken Brennhaare, die mit zunehmendem Alter länger und dichter werden. Ähnlich wie die Nesselhaare der Brennnessel können sich diese mit Hilfe von Widerhaken an Kleidung oder an der Haut festhaken und verschiedene Proteine freisetzen. Vor allem das Protein Thaumetopoein kann allergische Hautreaktionen mit Juckreiz, Bläschenbildung und Schwellungen auslösen. Hat man aus Versehen Brennhaare eingeatmet, kann es außerdem zu Atembeschwerden oder sogar Asthmaanfällen kommen. Auch Tiere können Augen- und Atemprobleme bekommen, wenn sie mit den Raupenhaaren in Berührung kommen. Das kann auch passieren, wenn man nur in der Nähe eines befallenen Baumes steht und von herabfallenden oder verwehten Raupenhaaren getroffen wird.



Was hilft?
- Abstand halten und weder die Raupen noch die Nester berühren.
- Bei Kontakt mit den Brennhaaren Kleidung wechseln und diese waschen sowie gründlich duschen
- Treten typische Symptome auf, sollte ein Arzt aufgesucht werden
Übertriebene Panikmache?
Obwohl zahlreiche Medienberichte mit Überschriften wie „Giftige Gefahr“ eindringlich vor dem angeblich großen Gesundheitsrisiko warnen, gibt es keine Zahlen zu tatsächlich erkrankten Personen. Es ist immer nur allgemein von einer starken Zunahme der Raupendermatitis die Rede. Dass ein gewisses Gesundheitsrisiko besteht und Vorsicht geboten ist, sei unumstritten. Überdramatisieren sollte man die Sache jedoch auch nicht. Die Verfasserin war mehrmals an befallenen Bäumen und hat aus der Nähe Fotos von Raupen und Nestern erstellt, ohne irgendwelche gesundheitlichen Probleme zu bekommen. Und tatsächlich ist an Zunahme der Falter einmal wieder der Mensch schuld.
Klimawandel soll Vermehrung begünstigen
Während der wärmeliebende Eichenprozessionsspinner früher nur in Südeuropa vorkam, hat sich die Art inzwischen, angefangen in Südwestdeutschland, über alle Bundesländer hinweg ausgebreitet. Als Ursachen gelten die durch den Klimawandel verursachten höheren Temperaturen und geringere Niederschläge, welche die Ansiedelung des Falters auch in früher zu kalten Gegenden ermöglicht. Zunehmend wärmere Frühlinge führen außerdem dazu, dass ein Großteil der kälteempfindlichen, jungen Larven überlebt. Da bei mildem Wetter auch die Eichen zeitiger austreiben, steht den Raupen viel Nahrung zur Verfügung, um große Bestände zu bilden.
Dass die Insekten vermehrt im Siedlungsbereich anzutreffen sind, liegt daran, dass Eichen, die Nahrungspflanze der Raupen, sehr oft an Straßen, in Parks und Grünanlagen wachsen. Der Befall in Laub-Mischwäldern, in denen Eichen nach der Buche die zweithäufigste Baumart sind, wird vom Großteil der Bevölkerung meist gar nicht bemerkt.
Bekämpfungsmaßnahmen
Befallene Eichen sind oft abgesperrt und mit entsprechenden Warnhinweisen versehen. Manchmal saugen Experten auch die Nester ab oder belegen diese mit winzigen Fadenwürmern (Steinernema feltiae und Steinernema carpocapsae), welche in die Raupen eindringen und ein Bakterium absondern, welches die Raupe abtötet und ihr Inneres verflüssigt, so dass es von den Würmern gefressen werden kann. Daneben kann auch eine Lösung mit dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Btk) auf die befallenen Bäume gesprüht werden. Wenn die Raupen es mit der Nahrung aufnehmen, verursacht es Löcher im Darm, was zum Tod der Tiere führt.
Leider werden die Nester auch öfter abgeflammt. Diese Art der Bekämpfung schädigt nicht nur die Baumrinde und ist damit nicht nur für den Baum gefährlich, sondern führt auch dazu, dass durch die Hitze die Brennhaare in die Luft gewirbelt und in der Umgebung verteilt werden.
Neben diesen biologischen und mechanischen Maßnahmen kommen leider auch Pestizide wie Neem Protect und Foray ES zum Einsatz, die auf die befallenen Bäume gespritzt werden. Sie töten nicht nur die Raupen des Eichenprozessionsspinners, sondern auch andere Insekten und deren Larvenstadien. Werden sie durch Regen in Oberflächengewässer ausgewaschen, schädigen sie außerdem die aquatischen Lebewesen. Vor allem angesichts des globalen Insektenschwunds, der auch dazu führt, dass Beutegreifer wie Fledermäuse, Vögel, Igel, Wespen und Spinnen weniger Nahrung haben, sollte auf derart drastische Maßnahmen verzichtet werden.
Bitte melden
Auf keinen Fall sollte man selbst gegen die Raupen vorgehen, selbst wenn sie sich in einer Eiche auf dem eigenen Grundstück niedergelassen haben. Am besten meldet man im öffentlichen Raum festgestellte Nester dem örtlichen Grünflächen- oder Ordnungsamt. Bei Befall auf Privatgrund kann man einen Baumpfleger oder professionellen Schädlingsbekämpfer beauftragen. Bitte darauf achten, dass die Experten schonend vorgehen und keine Chemie verwenden.
Eichenprozessionsspinner gefährlich für Hunde und Katzen
Ein Hinweis von Dr. Tina Hölscher, Tierärztin bei aktion tier e.V.
Kommen Hund oder Katze mit den Raupenhaaren in Berührung, kann es zu schweren Reaktionen der Haut bzw. Schleimhaut kommen, je nachdem, welches Areal mit der Raupe Kontakt hatte. Bei unseren Haustieren sind vor allem die Nase, die Mundhöhle, die Zunge oder auch die Pfoten betroffen.
In den feinen Härchen befindet sich ein Protein, das eine heftige allergische Reaktion hervorrufen kann. Diese geht mit starken Schmerzen, hochgradigem Juckreiz sowie Schwellungen und Rötungen einher. In schwerwiegenden Fällen kommt es zu tiefen Verätzungen und Einschmelzungen des Gewebes. Beim Einatmen kommt es zu Atembeschwerden wie Hustenanfällen und Atemnot. Gelangen Brennhaare in die Augen, ist eine Bindehautentzündung die mögliche Folge.
Sind Hund oder Katze Opfer eines Raupenkontaktes geworden, müssen die klitzekleinen Brennhaare vorsichtig entfernt werden. Im Anschluss sollten entzündungshemmende Präparate entweder lokal aufgetragen oder je nach Schweregrad sogar als Tablette oder Spritze verabreicht werden. Tiefe Wunden muss ein Tierarzt chirurgisch versorgen.